Audits bei Lohnherstellern

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Ein Hauptziel von Audits liegt darin, alle notwendigen Informationen innerhalb kurzer Zeit in der gewünschten Detailtiefe und Verlässlichkeit zu erhalten. In letzter Konsequenz muss eine Momentaufnahme ein aussagekräftiges Bild der Verhältnisse zeichnen können. Im vorliegenden Beitrag wird auf die folgenden Fragestellungen eingegangen: Welche Vorteile bietet eine risikobasierte Schwerpunktsetzung, welche Zeitpuffer und Freiheitsgrade sollte man einplanen und wie geht man am besten mit „Zeitnot im Audit“ um? Welche Bewertungsmaßstäbe sollte man anwenden, um Findings adäquat zu bewerten und sinnvolle Maßnahmen zu definieren und wie kann man sich den lokalen Gepflogenheiten anpassen ohne das Auditziel aus dem Auge zu verlieren? Welche Fragetechnik passt zu welcher Auditsituation und wie beeinflussen Verbalitäten und Nonverbalitäten den Auditablauf? Wie begegnet man den verschiedenen Stakeholdern im Audit und was kann man tun, wenn es im Audit „nicht rund läuft“? Wie formuliert man Auditfindings wertschätzend und dennoch hart in der Sache?

in: Pharm. Ind. 76, Nr. 4, 544-550 (2014)
Dr. Stefan Kettelhoit and Dipl.-Ing. Jürgen Ortlepp

Auditplanung

Welche Vorteile bietet eine risikobasierte Schwerpunktsetzung?

Die Durchführung von Audits bei Lohnherstellern ist ein sinnvoller und – gemäß den rechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen – notwendiger Bestandteil der Lieferantenqualifizierung des pharmazeutischen Zulassungsinhabers[1][2]. Angesichts des nicht unerheblichen Aufwands, der für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung dieser Audits eingeplant werden muss, stellt sich die jedoch die Frage, wie diese Audits bei verschiedenen Auftragnehmern im Jahresverlauf angemessen geplant und wie im einzelnen Audit sachbasiert Schwerpunkte gesetzt werden können. Als Entscheidungshilfe bieten sich dabei die Guideline ICH Q9 [3] im Allgemeinen sowie Guidances PI 037-1 [4] des Pharmaceutical Inspection Cooperation Scheme (PIC/S) und EMEA/INS/GMP/354403/2007 [5] der European Medicines Agency (EMA) zur risikobasierten Planung von Inspektionen im Speziellen an. In den speziellen Guidances wird für die pharmazeutischen Inspektorate eine Richtlinie gegeben, wie risikobasiert die Häufigkeit und der Umfang von GMP Inspektionen festgelegt und umgesetzt werden können. Dabei spielen die Einflussgrößen „Komplexität eines Herstellungsstandortes“, „Kritikalität der Produkte bzw Dienstleistungen“ und die „GMP Compliance Historie“ eine Rolle, die in Risikobewertungsmatrizen kombiniert zu vordefinierten Ergebnissen führen. Diese behördlichen Richtlinien bilden daher eine nützliche Grundlage für die Festlegung und Begründung der Auditplanung (d.h. der Häufigkeit und des Umfangs der Auditierung einzelnener Lohnhersteller) für den Zulassungsinhaber innerhalb eines oder mehrerer Jahre.

In einem einzelnen Audit bietet die risikobasierte Schwerpunktsetzung ebenfalls unmittelbar nachvollziehbare Vorteile. Im Unterschied zu Behördeninspektionen ist die vor Ort zur Verfügung stehende Auditzeit in der Regel sehr knapp bemessen. Diese zeitliche Limitierung hängt zum Einen mit der Vielzahl an Auditanfragen und Audits zusammen, die ein Lohnhersteller zu bewältigen hat. Zum Anderen ist die zur Verfügung stehende Zeit für den Auditor aber auch oft durch knappe personelle Ressourcen oder auch eine ungünstige, knapp bemessene Reiseplanung limitiert. Daher ist eine gute Auditvorbereitung einschließlich einer wohl überlegten, dokumentierten und risikobasierten Schwerpunktsetzung für das Audit obligatorisch, um das angestrebte Auditziel zu erreichen. Als Audit wird idealtypisch in der ISO 19011 wie folgt der zugrundeliegende Prozess definiert: „systematischer, unabhängiger und dokumentierter Prozess zur Erlangung von Auditnachweisen und zu deren objektiver Auswertung, um zu ermitteln, inwieweit die Auditkriterien erfüllt sind.“ Damit ist es evident, dass zur Systematik des GMP-Audits von Lohnherstellern mit dem Ziel der GMP-Compliance Überprüfung, die richtigen Schwerpunkte im Vorfeld herausgearbeitet und dann vor Ort auditiert werden müssen. Zur Priorisierung von Auditinhalten sind verschiedene Veröffentlichungen publiziert worden, so dass an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden soll. [6][7][8][9][10][11]

Auditdurchführung

Wie viel Zeitpuffer und Freiheitsgrade sollte man einplanen und wie geht man am besten mit „Zeitnot im Audit“ um? Die Auditdurchführung richtet sich überwiegend nach allgemein anerkannten Vorgehensweisen und Audittechniken wie z.B. Auditieren entlang des Prozessflusses (vorwärts oder rückwärts), dem Stellen offener W-Fragen sowie der immer wiederkehrenden Verknüpfung der Punkte:

  • „Wie wird etwas gemacht? (Zuhören des Auditors nach offener Frage)“,
  • „Wo/Wie wird dieses dokumentiert?“ (Auditieren von Nachweisen/Aufzeichnungen durch den Auditor d.h. Sichern),
  • „Wo/Wie ist festgelegt, dass etwas reproduzierbar so gemacht wird?“ (Auditieren von Vorgabedokumenten/Prozessbeschreibungen durch den Auditor).

Diese Punkte sollten im Auditplan eine zeitlich angemessene Berücksichtigung finden gemäß der im Vorhinein erarbeiteten Prioritäten für das Audit. Aus Sicht der Autoren hat sich dafür ein Auditplan bewährt, der nicht zu detailliert aber auch nicht zu vage ist. Dementsprechend sollten der Auditbeginn mit Einführungsbesprechung, die Pausen, sowie das Auditende mit Abschlussbesprechung im Auditplan dargestellt werden. Zusätzlich sollten die zu auditierenden Punkte einschließlich der Schwerpunkte sowohl für die Auditierung vor Ort, als auch für die Dokumentenüberprüfung dargestellt werden. Diese können –ohne spezielle zeitliche Vorgaben- als Themenblöcke vormittags bzw nachmittags im Auditplan aufgelistet werden. Damit bleiben im Audit die notwendige Flexibilität und Freiheitsgrade, um gemäß den Auditerkenntnissen oder –notwendigkeiten reagieren zu können.

Zeitnot im Audit d.h. ein offensichtliches Missverhältnis zwischen zu auditierenden Bereichen oder auch Dokumenten und der (noch) zur Verfügung stehenden Auditzeit lässt sich am besten wie folgt vermeiden:

  • kontinuierliche Steuerung des Audits durch den Auditor d.h. kontinuierlicher Abgleich zwischen den erreichten Auditergebnissen und den Auditschwerpunkten mit ggfs notwendigem „Nachsteuern“ (d.h. Verkürzen „unwichtiger“ Teile, Vereinbarung der Übergabe von (kopierten) Dokumenten des Auditees zur off-site Prüfung, Ausweitung der Auditzeit etc.)
  • „mutige“ d.h. aktive Veränderung des Auditplans in Absprache mit dem Auditee
  • sorgfältige und kontinuierliche Anpassung von „Auditbreite“ und „Audittiefe“ d.h. bei schwerwiegenden Defiziten des Auditees, diese angemessen dokumentieren, andererseits bei gutem compliance Status im Auditverlauf ggfs „schneller“ auditieren

Auditbewertung und -nachbereitung

Welche Bewertungsmaßstäbe sollte man anwenden, um Findings adäquat zu bewerten und sinnvolle Maßnahmen zu definieren?
Zur adäquaten Bewertung von „Findings“ in Audits (auch „Abweichungen“, „Nicht-Konformitäten“, „Schwachstellen“, „Deficiencies“ oder „Observations“ genannt) ist es wichtig, für das Audit die Auditkriterien (auch Auditgrundlage oder Auditscope genannt) zwischen Auditee und Auditor zu vereinbaren. Während dies für Fertigarzneimittel und Wirkstoffe in Europa relativ einfach erscheint (EU GMP Teil 1 bzw EU GMP Teil 2/ICH Q7) sind diese Auditkriterien schon bei der Bulkherstellung von Arzneimitteln in Asien oder bei den sogenannten „atypical Actives“ oder auch Hilfsstoffen nicht automatisch vorgegeben sondern zwischen den Vertragsparteien explizit zu vereinbaren. Erst danach kann die Bewertung von Findings in Audits schrittweise gemäß den hier dargestellten Schritten erfolgen:

  • Erster Schritt: Auditevidenz d.h. auffällige Beobachtung, Auffälligkeit beim  Dokumentencheck
  • Zweiter Schritt: Prüfung und Bestätigung der gemachten Auditevidenz (mögl. Fragen: „Ist es richtig, dass?” “Ich habe verstanden, dass?”  CAVE: Missverständnis! bzw Missinterpretation!
  • Dritter Schritt: Dokumentation (möglichst präzise und konkret am Beispiel)
  • Vierter Schritt: Klassifizierung, Bewertung des Schweregrades

Die Klassifizierung von Findings kann dabei nach unterschiedlichen Vorgaben erfolgen. Es existieren Abstufungen wie z.B.:

  • Sonstige (Other)
  • Geringfügig (Minor)
  • Schwerwiegend (Major)
  • Kritisch (Critical)
  • Lebensbedrohlich (Life-threatening)

Während im US Sprachraum diese Klassifizierungen eher zurückhaltend gebraucht und stattdessen eher Gesamtbewertungen vorgenommen werden [12][13] , hat sich in Europa und anderen Regionen eine dreistufige [14][15] oder sogar vierstufige [16]  Klassifizierung etabliert. Die Autoren favorisieren aus verschiedenen Gründen die dreistufige Klassifizierung mit den Kategorien:

  • Geringfügig/Sonstige (Minor/Other)
  • Schwerwiegend (Major)
  • Kritisch (Critical)

Welches Finding, verdient nun aber welche Klassifizierung? Grundsätzlich gibt die zitierte EMA Literaturstelle neben den Klassifizierungen auch prägnante Beispiele zur Erleichterung der Einordnung von Auditfindings. Pragmatisch kann ergänzend hinzugefügt werden, dass:

  • kritische Findings eher selten sind und oft verbunden sind mit kritischen Fertigungsverfahren (Beispiel: aseptische Fertigung bzw Sterilprodukte) oder sehr schwerwiegenden GMP Compliance Mängeln (Beispiel: Fälschung von Unterlagen, Betrug)
  • schwerwiegende Findings grundlegende, systematische oder schwere Abweichungen der GMP Compliance darstellen
    und
  • Geringfügig/Sonstige Findings die restlichen Abweichungen bzw kleinere unsystematische Abweichungen betreffen

Im Auditbericht sollen Findings so präzise und ausführlich formuliert werden, dass diese:

  • eigenständig (d.h. in der Liste der Findings) verständlich sind und nachvollzogen werden können
  • möglichst neutral und als Beobachtung/Finding formuliert werden (nicht die Korrekturmaßnahme vorgeben)
  • die Verletzung der GMP-Compliance mit dem genauen Bezug als Referenz darstellen (Beispiel: EU GMP Teil 1, Kapitel 3 3.6)

So kann bei der Darstellung der Findings im Abschlussgespräch Konfliktpotential vermieden werden und mit dem Auditee Konsens zur möglichen Korrektur der Findings erzielt werden.

Kulturelle Unterschiede bei Audits

Wie kann man sich den lokalen Gepflogenheiten anpassen ohne das Auditziel aus dem Auge zu verlieren? Kulturelle Unterschiede zwischen Auditee und Auditor bilden – neben der Kommunikation im Audit- einen häufig bei weitem unterschätzten Erfolgs- oder Misserfolgsfaktor in Audits. Wie sollte der Auditor daher mit diesen Unterschieden erfolgsorientiert umgehen? Aus der Erfahrung und subjektiven Sicht der Autoren werden im Folgenden einige Beispiele und Handlungsempfehlungen dargestellt, die sich als zielführend für ein gutes Auditergebnis erwiesen haben. Gleichzeitig soll aber auch der Eindruck vermeiden werden, dass die Beispiele „immer so sind“ (bekannte stereotype) – jede Auditsituation, wo immer auf der Welt, hat ihre ganz spezifischen Eigenheiten!

Generell empfiehlt sich im Audit für den Auditor –egal in welchem Land der Welt- ein kompetentes, freundliches Auftreten. Auch in dieser Hinsicht zahlt sich eine gute Vorbereitung aus, da dieses für den Auditee die Ernsthaftigkeit und Zielorientierung im Audit unterstreicht. Da bei globalen Audits in der Regel Auditor und Auditee selten in ihrer jeweiligen Muttersprache kommunizieren (typischerweise wird auf Englisch bzw mit Hilfe eines Übersetzers auditiert), hat sich zusätzlich bewährt eher langsam zu starten d.h. viel zu erklären und Vertrauen aufzubauen, um dann im Verlauf des Audits die Auditgeschwindigkeit zu erhöhen.

Spezielle Beispiele in der Anpassung an lokale Gepflogenheiten werden zusätzlich im Folgenden gegeben:

  • In Südeuropa, z.T. auch in Asien hat sich u.a. durch abweichende klimatische Bedingungen im Vergleich zu Deutschland ein Arbeitsrhythmus eingebürgert, der oft erst um gegen 8:30 - 9 Uhr den Start von Audits erlaubt und längere Mittagspausen vorsieht (1 Stunde – 1,5 Stunden). Diese Besonderheiten sollten durch Abstimmung mit dem Auditee Berücksichtigung im Auditplan finden, oder aber es sollte vor dem Audit Einvernehmen über z.B. einen frühen Start und kurze Pausenzeiten gefunden erzielt.
  • In Asien gebietet die Kultur, möglichst nicht nur kurz und direkt auf Fragen, sondern indirekt, eher ausschweifend zu antworten. Dieses Verhalten ist Teil eine jahrhundertealten Tradition und verbunden mit der Vermeidung möglichst nicht „sein Gesicht zu verlieren“ d.h. beispielsweise ein Fehlverhalten oder Fehler öffentlich einzugestehen. Zusätzlich gilt in vielen Ländern immer noch das „Senioritätsprinzip“ d.h. der hierarchisch höhere Gesprächspartner hat zu antworten. Diese Punkte sind in der Fragetechnik bzw in der Auswahl der Gesprächspartner im Audit geeignet zu berücksichtigen.
  • In vielen europäischen wie asiatischen Ländern spielt die Gastfreundschaft eine große Rolle, so dass dem Auditor im Umfeld des Audits vielfältige Leistungen angeboten werden. Diese Angebote sollten wohlüberlegt und nur bescheiden akzeptiert werden (Beispiel: Verpflegung zur Mittags- bzw Abendzeit). Dabei sollte als Maßstab zur ggfs (freundlichen!) Ablehnung immer das Ausmaß eines (geldwerten) Vorteils sowie die mögliche Beeinflussung der Urteilsfähigkeit während des Audits gelten.

Fragetechniken im Audit

Welche Fragetechnik passt zu welcher Auditsituation und wie kann man durch geschickte Fragen die Informationen erhalten, die man benötigt?

Es ist eine Binsenweisheit, dass es keine dummen Fragen gibt, sondern nur dumme Antworten. Dennoch: Die Erfahrung lehrt, dass die Qualität der Fragen maßgeblich darüber entscheidet welche Qualität die Antwort hat. Häufiger Praxisfehler aus Sicht des Autors: Zu viele geschlossene und zu wenig offene Fragen. Der geneigte Leser kennt vielleicht den schon etwas betagten Witz: „Können Sie mir bitte die Uhrzeit sagen“? worauf die Antwort schlicht lautet „Ja“.

In einer Auditsituation konnte ich schon oft beobachten, dass gerade unerfahrenere oder unsichere Auditoren oft geschlossenen Fragen verwenden. Die geschlossene Frage hat auf den ersten Blick einen gewissen Charme: Das, was man hören will braucht nur noch knapp bestätigt zu werden. Aber gerade darin liegt die größte Gefahr: Man erhält nur eine Bestätigung der eigenen Aussage, erfährt daher nichts wirklich Neues.

Viel besser und in der Auditpraxis überhaupt die beste Fragetechnik stellt die offene Frage dar. „Wie stellen Sie den Schulungserfolg sicher“? bringt den Befragten dazu seine Methoden und Vorgehensweisen darzustellen. Auf die geschlossene Frage „Führen Sie eine Wirksamkeitskontrolle durch“? wäre vermutlich ein knappes „Ja“ zur Antwort gekommen, was sicher weniger aussagekräftige Erkenntnisse bringen dürfte. Sind Sie dann hinterher mit der Wirksamkeitskontrolle des Befragten nicht zufrieden, oder ist diese faktisch wirkungslos sollten Sie sich nicht beschweren. Der Auditierte hat mit ziemlicher Sicherheit aus seiner Sicht die Wahrheit gesagt!

Generell gilt, dass alle Auditfragen mit einem „W“ beginnend zielführende Fragen sind. Eine Ausnahme gibt es dabei: Das „Warum“ oder „Wieso“ führt dazu, dass der Auditierte in einen Rechtfertigungsdruck gerät. Aus dem Audit wird dann schnell eine Investigation. Wenngleich dies in der Praxis an der einen oder anderen Stelle auch angezeigt sein kann, sollte man nach Möglichkeit sehr sparsam mit der Frage nach dem Warum umgehen.

Als sehr nützlich im Audit haben sich Spiegelungsfragen erwiesen. Hierbei wird ein vom Auditierten geäußerter Sachverhalt mit eigenen Worten widergegeben und mit der Floskel „Habe ich Sie richtig verstanden, dass…“ eingeleitet. Der große Vorteil dieser Fragetechnik liegt darin, dass eine einheitliche Auffassung zu einem Sachverhalt hergestellt, oder zumindest erleichtert wird.

Eine Anmerkung zum Schluss: Gerade in schwierigen Auditsituationen und insbesondere wenn die „Stimmung“ bereits belastet ist sollte sich der Auditor davor hüten Suggestivfragen zu stellen. Diese Fragen nach dem Motto „Sie haben doch bestimmt..“, oder „Wahrscheinlich haben Sie …“ unterstellen einen Sachverhalt und machen den Auditor angreifbar. Sie sollten sich auch davor hüten in Ihre Fragen sarkastische oder zynische Bemerkungen einzubauen. Dies geschieht schneller als man denkt (insbesondere wenn man sich als Auditor gerade „an der Nase herumgeführt“ fühlt). Da bleibt nur eins: Sachlich bleiben!

Kommunikation und Wahrnehmung

Wie kann man durch Kommunikationstechniken den Auditablauf günstig beeinflussen?

Es klingt ein wenig altbacken, aber: Audit kommt von audire (lat.: hören). In einem Audit ist es also als Auditor wesentlich zielführender zuzuhören als zu selbst sprechen. Eine Quote von 1:2 oder 1:3 von Sprechen zu Zuhören hat sich dabei als günstig erwiesen. Dabei macht es durchaus Sinn, die Kommunikation in einer Auditsituation nicht dem Zufall zu überlassen.

Hierbei zeigt sich neuerlich, dass ein Auditor ein wahres Multitalent sein muss: Hier eine Frage stellen, die Antwort sinnerfassend verstehen, diese dokumentieren und gleichzeitig wahrnehmen, wie sich die Auditsituation entwickelt. Gerade das Wahrnehmen von „Schwingungen“ innerhalb der Kommunikation, das Spüren von veränderten Verhalten der Auditteilnehmer, liefert wertvolle  Hinweise für die Steuerung des Audits in eine kommunikative und offene Richtung.

In manchen Audits kann man beobachten, dass Checklisten genutzt werden. Wenngleich dies prinzipiell sinnvoll sein kann, sollte dieses Mittel dennoch mit Sorgfalt und – nach Meinung des Autors – allenfalls als roter Faden oder Gedächtnisstütze verwendet werden.

 Vielleicht waren Sie selbst schon einmal in einem Audit, das streng nach Checkliste ablief: Die Situation ähnelt mehr einem Quiz mit dem Auditleiter als dominanten Fragesteller, als einem Auditgespräch auf Augenhöhe.

Die Auditsituation wird dabei von einer Reihe von Faktoren beeinflusst, die man häufig so nicht im Fokus hat:

  • Sitzordnung: Eher formell oder informell, eher „Front“ oder „Gemischt“
  • Lichtsituation: Gegenlicht oder Streulicht, heller und freundlicher Raum, oder eher trist?
  • Raumtemperatur: kalt oder warm, klimatisiert oder nicht
  • Störquellen: Verkehrslärm, Bauaktivitäten, Handynutzung..

Zusätzlich ist innerhalb einer Auditsituation eine Beobachtung  des nonverbalen Verhaltens der Auditteilnehmer durchaus vorteilhaft.

Wie verändert sich die Körperhaltung (locker oder verkrampft), wie verhält sich das Minenspiel, sind die Hände offen oder verdeckt? und vieles mehr.

Eines muss aber klar sein: Körpersprache ist immer nur ein Indiz (wenn gleich aus Sicht des Autors ein wichtiges), und niemals ein Beweis. Daher: Alle Sinne im Audit öffnen, alle „Antennen“ auf Empfang stellen und ganz wichtig: Viel Freude am Kommunizieren und Beobachten haben!

Stakeholderanalyse der Teilnehmer

Warum macht es Sinn ein Audit nicht nur systematisch sondern auch systemisch durchzuführen?

Zugegebenermaßen: Das Durchführen einer Stakeholderanalyse vor dem Audit ist eher selten anzutreffen, aufwändig und empfiehlt sich nur in ausgewählten Fällen. Dennoch soll dieses Werkzeug hier erwähnt werden, da der Autor von der Nützlichkeit dieser Methode überzeugt ist.

Was verbirgt sich hinter dieser Methode? Gehen wir einen Schritt zurück. Wie weiter oben schon ausgeführt wurde werden die meisten Audits (und sollten es auch) systematisch geplant. Dabei spielt Zeit, Ort und Auditgegenstand eine elementare Rolle. Endergebnis ist ein Auditplan, der für die Auditbeteiligten eine gute Orientierung und für den Auditablauf ein gutes Gerüst darstellt.

Bei all der Systematik wird jedoch leicht vergessen, dass nicht alle Planungsparameter naturwissenschaftlich exakt bestimmbar sind.

Und genau hier setzt die Stakeholderanalyse an: Die Auditbeteiligten (als Stakeholder des Auditprozesses) werden im Vorfeld systemisch betrachtet. Leitfragen hierbei: Wie reagieren die Auditierten und die Auditoren als ganzheitliches System? Wer verhält sich in der Auditsituation vermutlich verstärkend, neutral oder hemmend? Wo kann ein Hebel angesetzt werden, um die notwendigen Informationen in der benötigten Güte zu erhalten?

Kurzum: Die Stakeholderanalyse liefert eine Möglichkeit den Auditablauf bezüglich der Kommunikationssituation besser vorherzusagen. Die Erkenntnisse können einen Einfluss auf die Auswahl der teilnehmenden Auditoren haben, oder einfach nur mögliche „Störgrößen“ oder „Hemmschuhe“ bereits im Vorfeld identifizieren. Ob Sie nun eine Stakeholderanalyse als flankierendes Instrument der Planung anwenden oder nicht: Jede Auditsituation ist einzig und kann niemals verlässlich vorausgesagt werden. Eine Stakeholderanalyse sollte daher niemals als Basis für Vorverurteilungen dienen.

Umgang mit schwierigen Situationen

Was tun, wenn die Auditsituation eskaliert und aus dem Ruder läuft?

Wer kennt das nicht? Auf eine vermeintlich „harmlose“ Frage des Auditors entsteht Schweigen auf der Seite der Auditierten. Diese vom Autor als Decken- und Teppichrphase (alle Blicke sind entweder auf die Decke oder den Fußboden gerichtet) bezeichnete Reaktion der Auditierten signalisiert dem Auditor, dass seine Frage offensichtlich nicht beantwortet werden kann, oder soll. Vielfache Beobachtung des Auditors als Zeuge von Audits: Der Auditor setzt dann eine Frage hinterher, und dann noch eine, und noch eine…. Dies verbessert die Situation nur in den seltensten Fällen, die allererste Frage gerät dabei (zum Glück mancher Auditteilnehmer) sogar häufig in Vergessenheit.

Ein sehr wirksames Rezept: Erst fragen, dann schweigen!

Dabei sollten zwischen Fragen und Nachfrage mindestens 15 bis 20 (oder 30) Sekunden des Schweigens vergehen. Probieren Sie es doch einfach einmal aus: Schauen Sie auf Ihre Uhr und schweigen Sie 30 Sekunden. Sie werden verwundert sein, wie lange sich das anfühlt!

Schweigen stellt dabei eine viel stärkere Motivation zur Formulierung einer Antwort dar, als dies „Stakkatofragen“ jemals erreichen könnten. Schweigen die Auditteilnehmer nach der Wartezeit immer noch, so kann die Frage: „Was fange ich mit Ihrem Schweigen jetzt an, was soll mir Ihr Schweigen sagen?“ noch einmal Bewegung in die Sache bringen, ebenso wie der Versuch die Frage noch einmal anders zu formulieren. Irgendwann hilft aber nur noch zu dokumentieren, dass keine Antwort auf die Frage zu erhalten war.

Der umgekehrte Fall, ist ebenfalls keine wünschenswerte Situation: Die Auditteilnehmer eskalieren die Situation. Die Stimme wird lauter, die Fronten verhärten sich und irgendwann hat man den Eindruck nur noch von „Mauern“ umgeben zu sein. Diese auf den ersten Blick bedrohlich wirkende Situation sollte mit Bedacht analysiert und mit Ruhe und Gelassenheit angegangen werden. In der Praxis hat sich vielfach folgende analytische Betrachtung der Kommunikationssituation anhand nachstehender Leitfragen bewährt:

  • Ist der Auslöser der Situation offensichtlich (vorangegangene Frage, Äußerung eines Teilnehmers etc.)?
  • Was regt die anderen auf, worum geht es?
  • Was regt mich auf, worum geht es bei mir?

Anschließend empfiehlt sich eine Kommunikationstrias:

  • Äußern des Gefühls: So geht es mir mit der Situation, das nehme ich wahr (bitte vermeiden Sie zu sagen „So ist es!“, dies erzeugt nur noch mehr Widerstand)
  • Äußern einer Frage: Was soll mir die Situation sagen? Was können wir tun, damit die Situation wieder entspannt? Was nehmen die anderen wahr – nehmen wir das Gleiche wahr?
  • Schweigen: Wie oben bereits erwähnt sollte nach einer Frage eine Situation der Ruhe einkehren, die dem Gefragten ermöglicht eine Antwort zu formulieren. Dieser „MZS“ (Mut zum Schweigen) ist aus meiner Sicht elementar!

Hilft das alles nichts und bleibt die Situation eskaliert so hilft unter Umständen eine Unterbrechung des Audits für eine gewisse Zeitspanne (15-30 Minuten reichen vielfach aus um wieder einen „Reset“ zu versuchen), oder aber: Auditabbruch.

Zum Glück habe ich einen Auditabbruch in den knapp 15 Jahren als Auditor bisher nur zwei Mal erleben müssen (davon einmal als Auditee und einmal als Auditleiter). In beiden Fällen war ein Wiederanknüpfen an den vorherigen Stand zwar möglich, aber mühsam. Mein Tipp: Auf jeden Fall mit viel Mut und persönlicher Authentizität die eigenen Gefühle äußern und die „kurze Pause“ probieren.

Umgang mit schwierigen Wahrheiten

Wie kann man kritische Sachverhalte so kommunizieren, dass der Betroffene „damit leben kann“?

Audits wären an sich eine feine Sache, wenn es immer nur „Nettigkeiten“ zu verteilen gäbe. Wie weiter oben bereits ausgeführt wurde sind die „schwerwiegenden“,  „kritischen“ oder gar „lebensbedrohlichen“ Findings nicht gerade an der Tagesordnung, aber dennoch nicht auszuschließen.

Lob auszusprechen ist einfach, wie geht man aber adäquat mit unter Umständen geschäftsbedrohenden und elementaren Befunden um?

Eiserne Regeln dabei:

  • Sachlich formulieren: Weder beschönigen noch dramatisieren!
  • Es geht immer nur um die Sache und nie um die Person

Es sagt sich so leicht: „Es geht natürlich immer um die Sache und nie um die Person“.

In der Realität geht es aber immer um Personen. Irgendjemand ist immer für einen Sachverhalt verantwortlich. In letzter Konsequenz natürlich der Inhaber, Geschäftsführer o.ä.

Im Rahmen einer unter Umständen vorhandenen strafrechtlichen Relevanz sind natürlich persönliche Aspekte zu würdigen. Strafrechtliche Faktoren sind in der Regel aber im Audit (im Unterschied zu behördlichen Inspektionen) meist nur von untergeordneter Bedeutung.

Natürlich steht auch bei der Formulierung und insbesondere bei der Kommunikation von Findings der Mensch im Mittelpunkt. Das Finding sollte daher so neutral wie möglich formuliert werden und sollte ausschließlich, wie schon erwähnt, dem beobachteten (und belegten!) Sachverhalt darstellen.

In letzter Konsequenz hängt vieles natürlich von der Firmenkultur des auditierten Unternehmens ab. Die Spannweite reicht dabei von einem offenen und konstruktiven Umgang mit erkannten Schwächen bis zu persönlichen Konsequenzen für den vermeintlichen Verursacher des Findings. Zum Glück ist Letzteres nur noch selten anzutreffen; vielmehr wird das Audit als Chance zur Verbesserung und zum Lernen verstanden.

Literatur

[1] vgl. AMWHV §9

[2] vgl. European Commission (2012): EudraLex Volume 4 – Good Manufacturing Practice Medicinal Products for Human and Veterinary Use – Chapter 7: Outsourced Activities, ec.europa.eu/health/files/eudralex/vol-4/vol4-chap7_2012-06_en.pdf

[3] ICH Harmonised Tripartite Guideline Q9 Quality Risk Management step 4 09.11.2005, www.ich.org/fileadmin/Public_Web_Site/ICH_Products/Guidelines/Quality/Q9/Step4/Q9_Guideline.pdf

[4] PI 037-1 A recommended Model for Risk-based Inspection Planning in the GMP Environment 01.01.2012, www.picscheme.org/pdf/31_pi-037-1-recommendation-on-risk-based-inspection-planning-copy1.pdf

[5] EMA (2008): A Model for Risk Based Planning for Inspections of Pharmaceutical Manufacturers. In: Compilation of Community Procedures on Inspections and Exchange of Information. (EMA/INS/GMP/459921/2010 Rev 13).

[6] Kettelhoit S. und Völler R. Auditierung von Wirkstoffherstellern, Pharm Ind. 2012;74:902-910.

[7] Hösch C. Planung und Durchführung von Audits in Europa, Asien und Südamerika, Teil 1. Pharm Ind. 2009;71:1035-1038.

[8] Hösch C. Planung und Durchführung von Audits in Europa, Asien und Südamerika, Teil 2. Pharm Ind. 2009;71:1229-1233.

[9] Kettelhoit S. GMP für Wirkstoffe: Audit-Qualität am Bericht erkennen. Pharm Ind. 2010;72:242-247.

[10] Linn A et al. Expertise of using the GMP audit preparation tool in pharmaceutical contract manufacturer audits. Drug Dev Ind Pharm. 2010;36:632-637.

[11] Linn A et al. Developing a tool for the preparation of GMP audit of pharmaceutical contract manufacturer. Eur J Pharm Biopharm. 2008;69:786-792.

[12] Vgl für die FDA www.fda.gov/downloads/AboutFDA/Transparency/PublicDisclosure/GlossaryofAcronymsandAbbreviations/UCM212061.pdf.

[13] Vgl für Rx-360 rx-360.org/LinkClick.aspx.

[14] EMA (2012): Compliance and Inspection, p 104 ff 16 July 2012 EMA/INS/GMP/321252/2012 Rev 15.

[15] PI 013-3 SOP PIC/S Inspection Report Format 25.09.2007: www.picscheme.org/pdf/10_pi-013-3-sop-on-pics-inspection-report.pdf

[16] Vgl EXCiPACT scheme: www.excipact.org/assets/Excipact-Standards.pdf

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